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Kein Kind darf Opfer werden

Ein Redebeitrag (Auszug) von Dr. Johannes Margreiter für das österreichische Parlament. Vorgetragen am 31. Januar 2023. Der Abgeordnete wurde ersucht um einen Beitrag zum Thema: „Kein Kind darf Opfer sein“.

Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister:innen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier im Haus und vor den Bildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich diese Betroffenheitsshow, welche die Regierungsparteien jetzt abgezogen haben, ärgert, und es ist wirklich nur eine Show.

Ich kann Ihnen nachweisen, warum es nur eine Show ist. Ich liebe meinen Beruf als Rechtsanwalt, aber der hat auch Schattenseiten. So bleibt es uns als Anwälten nicht erspart, als Pflichtverteidiger mitunter Kinderschänder, Menschen, die sich Bilder und Videos vom Kindesmissbrauch beschaffen und ansehen, zu verteidigen. Es ist schrecklich, es ist verstörend und es ist belastend, mit solchen Darstellungen konfrontiert zu werden, wie Kinder grausam gequält werden, wie sie vergewaltigt werden, mitanzusehen, wie da Kinderseelen für das ganze Leben demoliert werden.

Kein Kind darf Opfer werden

Vertagte Chance

Leider sind diese Fälle, in denen wir so tätig werden müssen, nicht selten, und noch dazu müssen wir von einer erschreckenden Dunkelziffer ausgehen. Das, was zu Gericht gelangt, ist nur die Spitze des Eisberges, und alle diese Erfahrungen haben mich dazu bewogen, dass ich im Oktober 2020 diesen Entschließungsantrag eingebracht habe, der genau auf das abzielt, wofür Sie sich jetzt abfeiern lassen wollen.

Es geht genau darum, Kinderschutz auszubauen, es geht darum, Kindesmissbrauch zu vermeiden. Was ist mit diesem Antrag passiert? – Meine Damen und Herren Zuseherinnen und Zuseher, jetzt muss ich Ihnen erklären, wie das funktioniert: Jeder Abgeordnete hat die Möglichkeit, Anträge einzubringen, wenn sie von fünf Kolleginnen und Kollegen unterstützt sind. Diese Anträge werden dann in einem Ausschuss behandelt und, wenn sie von einer Oppositionspartei eingebracht werden, zu 99 Prozent vertagt.

Da steht dann ein Mandatar einer Regierungspartei auf, erklärt mit salbungsvollen Worten, dass das Anliegen des Antrages ja gut ist, dieser aber aus diesen und jenen Gründen vertagt wird, und genauso ist das auch mit meinem Antrag am 1. Dezember 2020, vor mehr als zwei Jahren, passiert. Passiert ist seither nichts. – Jetzt, da ein prominenter Fall auftaucht, jetzt kommt die Regierung plötzlich drauf: Da sollten wir etwas tun! – Das ist zwei Jahre zu spät, zwei Jahre und Tausende gequälte Kinderseelen zu spät!

 

Aktionismus ersetzt rechtzeitiges Handeln

Einmal mehr – so wie nach dem Terroranschlag des 2.11.2020 – geht es nur um Aktionismus. Die Fantasie endet hauptsächlich bei höheren Strafen, wir wissen aber aus der Strafrechtswissenschaft, dass das keinerlei Präventivwirkung entfaltet. Das ist ja gut so, aber warum ist das nicht schon zwei Jahre früher passiert? Warum hat jetzt ein prominenter Fall auftauchen müssen?

Es steht weder in den Zehn Geboten noch in der Bundesverfassung und auch nicht in der Geschäftsordnung des Nationalrates, dass Anträge der Opposition immer vertagt werden müssen!

Warum haben Sie damals diesen Antrag nicht aufgenommen? Das ist genau das, was wir jetzt hätten: Wir hätten jetzt schon zwei Jahre lang diese Maßnahmen, die Sie jetzt – – (Abg. Prammer: Nein, das war ein Entschließungsantrag! – Abg. Greiner: Man hätte ja etwas daraus machen können, bitte schön! – Ruf: Na, haben wir ja, darum gibt es ja jetzt …! – Abg. Greiner: Zwei Jahre später!) – Doch, das ist so! Er hätte niemals vertagt werden müssen. Es geht um den Schutz der Kinder, es geht um den Schutz der Kinderseelen. Das war Ihnen gleich; jetzt gibt es einen prominenten Fall, jetzt ist es plötzlich wichtig.

Ich richte daher jetzt zwei Forderungen an die Regierung und an die Regierungsmehrheit in diesem Haus. Erstens: Setzen Sie alle Präventivmaßnahmen mit höchster Priorität und sofort um! Das duldet keinen Aufschub. Zweitens: Verabschieden Sie sich endlich von dieser unseligen systematischen Vertagung von Anträgen der Opposition. – Vielen Dank.

Dr. Johannes Margreiter, Abgeordneter zum Nationalrat. Aktuelle Beiträge auch bei uns auf facebook