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Menschenrechte haben kein Ablaufdatum

Ein Redebeitrag von Dr. Johannes Margreiter für das österreichische Parlament. Vorgetragen am 17. Juni 2020. Der Abgeordnete wurde ersucht um einen Beitrag zum Thema: „Präventiver Menschenrechtsschutz durch die Volksanwaltschaft“ 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger an den Fernsehgeräten und hier im Saal!

Ein Menschenrecht hat kein Ablaufdatum. Ich denke, wir alle hier im Plenum stimmen darin überein, dass Menschenrechte in modernen Gesellschaften unbefristet und völlig unabhängig von parteipolitischen Grenzziehungen Gültigkeit besitzen. Das heißt, wir – wie wir hier sitzen und diskutieren – vertreten alle ausnahmslos den Standpunkt, dass Menschenrechte auf Dauer unangetastet bleiben müssen. Ein großartiger Konsens, den wir uns in den letzten einhundertfünfzig Jahren demokratisch erkämpft haben, eine gemeinsame Wertebasis, auf die wir zurecht stolz sein dürfen.

Warum also – frage ich mich – warum erlauben dann die gleichen Köpfe, die eben noch wohlwollend und zustimmend genickt haben, warum erlauben Sie dann plötzlich – Menschenrechte „auf Zeit auszusetzen”? Was bewirkt denn diesen offensichtlichen Sinneswandel in der Sache, sobald es um Ihre praktische Regierungsarbeit geht? Menschenrechte sind doch keine alltägliche Verhandlungsmasse, sie sind doch kein Spielball Ihrer politischen Golfturniere. Einhundertfünzig Jahre harter politischer Auseinandersetzung um endlich behaupten zu dürfen: Menschenrechte sind unantastbar! Und dann kommt da ein heimtückischer Virus, gefolgt von ein paar umsatzgierigen Touristikern, unterstützt von deren unfähiger Politlobby und schon sind wir im Handumdrehen bereit, unantastbare Grundrechte – „auf Zeit” ausser Kraft zu setzen! Es ist für mich erschreckend mitanzusehen, wie schnell in unserem Land, in unserer doch so gefestigten Demokratie, persönliches Unvermögen und offenkundige Systemdefizite wesentliche Säulen unserer gesellschaftlichen Strukturen „auf Zeit” zum Einsturz bringen können.

Da scheint mir also tatsächlich nichts mehr in Stein gemeiselt zu sein. Also was bieten Sie uns als Nächstes? Aufgrund sinkender Nachfrage nach Sprudelgetränken in den Sommermonaten pausieren wir mit unserem Wahlrecht? Oder: weil Fluglinienkapitalisten nur mehr Löhne unter der Armutsgrenze zu zahlen bereit sind, beenden wir unseren Sozialstaat? Oder weil der Herr Mayer sich mit dem Herrn Huber nicht darüber einigen kann, wer Präsident in ihrem Kegelverein sein soll, beenden wir dann das Recht auf Meinungsfreiheit?

Ja bitte, nur zu – bitte jetzt stellen Sie mir doch die ganz wesentliche Frage: was hat denn hier das eine mit dem anderen zu tun? Dann antworte ich Ihnen: ja genauso viel und genau so wenig wie die Frage unserer Gesundheit mit der Unantastbarkeit unserer Grundrechte zu tun hat oder haben darf! So geht nämlich Menschenrecht.

Danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!

Dr. Johannes Margreiter, Abgeordneter zum Nationalrat. Aktuelle Beiträge auch bei uns auf facebook